Dr. Clemens Schiestl Kinderspital Zürich
02.09.2018
Zentrum für brandverletzte Kinder

Zug-Fahrleitungen: Unfälle mit gravierenden Folgen

Kinder, die auf stehende Züge klettern, landen oft mit schlimmsten Verbrennungen im Universitäts-Kinderspital Zürich. Hier kämpft das Team von Dr. Clemens Schiestl um ihr Leben.

Dr. Clemens Schiestl, wie häufig operieren Sie Kinder, die auf einem Bahnwagen vom Stromschlag getroffen wurden?
Glücklicherweise nicht oft; es sind etwa ein bis zwei Patienten jährlich, die wir am Kinderspital behandeln. Bei Jugendlichen über 16 Jahre und Erwachsenen sind die Zahlen höher, sie werden jedoch in anderen Kliniken operiert.

Was sind die Folgen eines solchen Unfalls?
Stromschläge durch Hochspannungsleitungen verursachen schlimmste und grossflächige Verbrennungen. Deren Behandlung erfordert vielzählige und aufwändige chirurgische Eingriffe. Nicht jeder Patient überlebt den Stromschlag und dessen Folgen. Die Mortalitätsrate ist immer noch hoch; verglichen mit anderen Brandverletzungen ist sie sogar erschreckend hoch.

Wie behandeln Sie die betroffenen Patienten?
Kinder mit grossflächigen und gravierenden Verbrennungen müssen wir etwa 20-40 Mal operieren, immer unter Vollnarkose. Bei diesen Eingriffen tragen wir stückweise abgestorbenes Gewebe ab, säubern und pflegen intakte Hautpartien. Häufig müssen wir zudem Körperteile amputieren, besonders betroffen ist jeweils die Eintrittsstelle des Stromschlags. Erst in einem späteren Schritt können wir gesunde Haut transplantieren. Doch ist selbst dann die Behandlung noch nicht überstanden.

Was folgt nach der Hauttransplantation?
Betroffene verbleiben mindestens zwei Monate im Spital, wo strenge Bettruhe gilt, damit die transplantierte Haut nicht überstrapaziert wird. Die Patienten erhalten zudem einen Kompressionsanzug, den sie permanent tragen müssen. In den darauffolgenden Jahren stehen Nachbehandlungen an. Kinder befinden sich im Wachstum, daher werden Narbenkorrekturen notwendig, weil die neue Haut nicht mitwächst und so schmerzhafte und optisch unschöne Verzerrungen verursacht.

Wie wirkt sich der Unfall auf das Kind aus?
Nebst körperlicher Leiden sind besonders die psychischen ausgeprägt. Nach einem solchen Unfall bleibt das Kind für immer gezeichnet, auch mit Narben. Dies kann wiederum dessen künftige Lebensbahn beeinflussen, weil gewisse Berufe nicht mehr realistisch sind, weil man vom Umfeld und der Gesellschaft stigmatisiert wird. Immer ist auch die ganze Familie stark betroffen, traumatisiert, von Schuldgefühlen geplagt und oft auf psychologische Unterstützung angewiesen.

PD Dr. Clemens Schiestl leitet am Universitäts-Kinderspital Zürich das Zentrum für brandverletzte Kinder, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie.

 

Gemeinsam mit der SBB, dem Universitätsspital Zürich, der Beratungsstelle für Unfallverhütung und weiteren Partnern macht das Kinderspital aktuell in einer Kampagne auf die Gefahren aufmerksam, die von Fahrleitungen ausgehen. Mehr dazu erfahren Sie auf: www.happy-end.ch

Klettere nie auf Züge!