Pflegefachmann Daniel Fahrer mit Patient
11.05.2020
Pflege

„Kinder leben im Moment und denken nicht an morgen“

Daniel Fahrer ist Pflegefachmann. Er kümmert sich um Patientinnen und Patienten in unserer Kinder-Reha Schweiz. Und staunt immer wieder über sie: Kinder nähmen ihre Situation besser an als Erwachsene.

Aufgezeichnet von: Gabriella Alvarez-Hummel

Wenn ich Fremden sage, ich arbeite in der Pflege, sind sie überrascht. Ich sähe gar nicht so aus, eher wie ein Polizist. In meinem Team sind wir zwei Männer, was in der Pädiatrie eine Ausnahme ist. Oft bin ich für die Patienten und ihre Eltern gar nicht Daniel, sondern einfach: der Mann. Viele der wenigen Pflegefachmänner arbeiten in Erwachsenen-Spitälern, so wie ich früher auch. Ich bin Quereinsteiger, gelernter Parkettleger und technischer Kaufmann. Durch den Zivildienst kam ich zur Pflege. Zuerst arbeitete ich acht Jahre auf der Neuro- und der Allgemeinchirurgie. Eine Freundin meinte dann, ich solle mir doch einmal das Kispi anschauen. Das war vor vier Jahren. Heute bin ich in der Kinder-Reha Schweiz auf der Jugendlichen-Abteilung tätig.

Kinder sind anders

Mit Kindern zu arbeiten ist natürlich speziell: Manchmal hängen sie einem buchstäblich am Bein und wollen nicht, dass man nach Hause geht — das gibt es bei Erwachsenen eher weniger.

Aber Spass beiseite: Kinder sind als erstes Kind, und erst an zweiter Stelle geht es um die Krankheit. So viel gelacht wie hier habe ich bei den Erwachsenen nicht. Was nicht heisst, dass es nicht auch bei den Kindern und Jugendlichen ernste Themen gibt. Aber grundsätzlich ist es ein frischeres Arbeiten. Kinder haben erfahrungsgemäss viel Hoffnung. Sie denken eben nicht so sehr an morgen oder an die Herausforderungen, die noch auf sie zukommen. Sie nehmen ihre Situation an und leben das Jetzt. Eltern verlieren eher die Nerven.

Enge und dauerhafte Beziehungen entstehen

Hier in der Kinder-Reha Schweiz erfüllen wir als Pflegende zwei Rollen: pflegen und rehabilitieren. Das heisst: Mobilität verbessern und die grösstmögliche Selbstständigkeit erlangen. Viele glauben auch, dass die Kinder nur wegen Unfällen in der Kinder-Reha landen. Aber ein Grossteil der Patientinnen sind solche, die seit Geburt Unterstützung benötigen. Die meisten bleiben drei bis vier Monate. In der Akutpflege war es eher ein Hallo und Adieu und weg waren sie. Hier in der Langzeitpflege ist der Bezug ein anderer.

Die Beziehungspflege zu unseren Patienten fällt mir leicht. Die lange Zeit, die wir mit den Patienten verbringen, erlaubt einen guten Beziehungsaufbau. Aber genauso wichtig finde ich eine gesunde Work-Life-Balance. Ich versuche, die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen und Privates privat zu halten. Abgrenzung ist wichtig, aber es ist eine Gratwanderung, man muss eine klare Linie fahren. Vor allem bei Jugendlichen, die ihre Zuneigung ausdrücken, in dem sie einen nach dem Instagramprofil fragen. Meine Partnerin hat selbst mal in der Pflege gearbeitet, mit ihr kann ich gut reden, wenn es nötig ist. Meine Balance finde ich vor allem auch beim Kraftsport.

Schwer fallen mir eher ethische Fragen. Etwa, wenn Eltern ihr Kind um jeden Preis normal ernähren wollen, obwohl es aspiriert, starke Schmerzen und diverse Einschränkungen hat. Da wäre es unter Umständen viel einfacher und für das Kind angenehmer, wenn man für eine Weile einen Zugang zum Bauch legen würde. Aber am Ende sind es die Eltern, die entscheiden. Wir können bloss Empfehlungen abgeben.

Die Pflege ist schnelllebig

Was vor zwei Jahren in der Pflege noch Standard war, ist es heute nicht mehr. Deshalb mag ich die Herausforderung, auszubilden. So halte ich auch mich selbst auf dem Laufenden. Obacht, ich bin kein Lehrer für Pflege, ich bin Berufsbildner für Praxis und schlage die Brücke zum echten Leben. Mir ist wichtig, das Thema Pflege zu entkrampfen. Natürlich muss man Strukturen und Richtlinien kennen, aber das ist keine dunkle Wolke, die ständig über einem schwebt. So ist mir das früher immer vorgekommen. Meiner Meinung nach muss man als Pflegefachperson wissen, weshalb etwas so ist, wie man es gelernt hat.

Von den Kindern lernen

Nächstes Jahr werde ich 40. Leider. Eben war man noch 20 oder 30 — und jetzt orientiert man sich eher nach vorne. Ich würde sagen: Doch, ich bin ein zufriedener Mensch. Es gehört zwar zur Normalität für mich, aber ich denke schon, dass man einen anderen Blick auf die Welt hat, wenn man in der Pflege arbeitet. Das merke ich besonders, wenn ich beispielsweise mit Kollegen rede, die in anderen Branchen arbeiten — die haben manchmal Probleme, die gar keine sind.

Grundsätzlich muss ich sagen: Hut ab vor den Kindern und Jugendlichen bei uns, sie machen es super! Von ihnen kann man lernen, wie man mit Problemen umgeht, obwohl sie teilweise Krankheiten haben, die traurig sind: Mal schauen, was heute und morgen ist, anstatt kompliziert in eine ferne, ungewisse Zukunft zu schauen.