Ein Kardiologiepatient sitzt in einem Aufenthaltsraum hinter einer Glasscheibe und schaut zur Kamera. Seine Arme sind verschränkt.
05.05.2025
PatientInnen

«Fontanherz»: Leben mit halbem Herzen

Wegen eines Herzfehlers fehlt Livio die linke Herzkammer. Der 7-Jährige lässt sich davon nicht unterkriegen. Das Team des Herzzentrums am Universitäts-Kinderspital Zürich begleitet ihn auf seinem Weg.

«Als ich in der 23. Schwangerschaftswoche zur Routineuntersuchung bei der Gynäkologin ging, hatte sie Probleme, das Herz meines Ungeborenen genau zu beurteilen», erinnert sich Sandra. Es folgte eine Überweisung ans Kantonsspital Frauenfeld – Diagnose unklar. Die Ärzte dort überwiesen sie ans Universitäts-Kinderspital Zürich. Nach einem Ultraschall die Diagnose: Hypoplastisches Linksherz-Syndrom. Ihr Kind würde also mit einem halben Herzen geboren werden. Die Eltern von Livio stellte das vor die schwierige Entscheidung: «die Schwangerschaft beenden, das Kind mehreren Operationen unterziehen oder es nach der Geburt sterben lassen.»

«Korrektur» des Herzens 

Innert drei Tagen mussten sich die Eltern entscheiden. Nach Gesprächen mit Patientenorganisationen wie Fontanherzen oder der Elternvereinigung für das herzkranke Kind, Arbeitgebern und Familienangehörigen entschieden sie sich für das Kind und den Weg mit mehreren Operationen. Zwölf Tage vor dem errechnetem Geburtstermin kam Livio zur Welt. Dann ging alles schnell, erinnert sich die Mutter: «Die Hebamme hat Livio sofort weggebracht. Sie hat Fotos von ihm gemacht und mir gezeigt. Dann bekam er ein Medikament für sein Herz, bevor die Ambulanz ihn ins Kispi transportierte.» Drei Tag später wurde Livio erstmals am Herzen operiert. Es folgte ein monatelanger Aufenthalt im Kispi, die Mutter stets an seiner Seite. Im Alter von drei Monaten und drei Jahren folgten weitere Operationen.

Das Hypoplastische Linksherz-Syndrom gelte als einer der schwersten Herzfehler, sagt Oliver Kretschmar, Co-Abteilungsleiter Kardiologie und Livios behandelnder Arzt. Dabei sei die linke Herzkammer nicht angelegt oder nicht richtig ausgebildet. Die rechte Herzkammer sei daher besonders gefordert, denn sie übernimmt die Funktionen der linken – «zeitlebens», so Kretschmar. Bei der Behandlung des Herzfehlers gehe es primär darum, das Herz «umzubauen». Die Operationen seien keine «Therapie im Sinne einer Heilung, sondern eine 'Palliation' mit dem Ziel einer Trennung von Lungen- und Systemkreislauf», präzisiert er. Patientinnen und Patienten wie Livio erhalten einen Fontan-Kreislauf. Dieser ermöglicht eine direkte Verbindung der Systemvenen in die Lunge zu den Lungenarterien und eine Durchblutung der Lunge – ohne die zwischengeschaltete rechte Herzkammer.

Bewegter Alltag trotz Herzfehlers

Bei Livio sind die Eingriffe gelungen; laut Kretschmar keine Selbstverständlichkeit angesichts der Komplexität der Operationen und der Risiken. Schätzungen zufolge überleben zwischen 65 und 80 Prozent der operierten Kinder längerfristig und werden erwachsen. Dennoch gebe es Einschränkungen für «Fontan-Herz»-Betroffene: «Sie haben meist Probleme mit Ausdauerleistungen, kurze Belastungen hingegen verkraften sie gut.» Hinzu kommen bei einigen Patientinnen und Patienten Hirnentwicklungsprobleme sowie neuro- und psychomotorische Einschränkungen. Darum betreut das Kinderspital Zürich die Betroffenen interdisziplinär, in Zusammenarbeit mit der Entwicklungspädiatrie und bei Bedarf weiteren Bereichen.

Der mittlerweile 7-Jährige ist stabil. Ins Kinderspital geht er einmal jährlich zur Kontrolluntersuchung in der Kardiologie. Durch den langjährigen Kontakt sei Kretschmar eine wichtige Bezugsperson für die Eltern: «Wir legen viel Wert auf seine Meinung und hören auf seinen Rat», sagt Sandra. Ihr Sohn besucht den Kindergarten und startet dieses Jahr mit der Regelschule. In seiner Freizeit treibt er Sport, besucht das Kinderturnen und schwimmt gerne. «Eigentlich hat er an allem Freude, wo er etwas machen oder sich bewegen kann», sagt seine Mutter. Die Familie ist dankbar, dass es Livio gut geht und schätzt es, wenn es rund läuft bei ihm. Sandra wünscht sich für ihn, «dass er lernt, glücklich und zufrieden mit sich selbst zu sein und mit seinen Defiziten umzugehen.»