Patient David in einem Aufenthaltsbereich im Kinderspital Zürich
20.12.2025
PatientInnen

Fast ertrunken – Davids Weihnachtswunder

Eine Woche vor Weihnachten, ein ganz normaler Kindergartentag für den fünfjährigen David. Doch auf dem Weg zum Hort hängt sein Leben plötzlich am seidenen Faden – nach einem tragischen Sturz in einen eisigen Teich. Was dann geschieht, gleicht einem Wunder: David kämpft sich zurück ins Leben – dank schneller Hilfe vor Ort und im Rettungshelikopter, hochspezialisierter Medizin im Kinderspital Zürich und der unerschütterlichen Hoffnung seiner Eltern.

David macht sich in Eglisau wie gewohnt mit seinen Freunden auf den Weg vom Kindergarten zum Hort – kommt dort aber nicht an. Als er am Rand eines Weihers mit etwas Eis spielen will, fällt er versehentlich hinein, verliert das Bewusstsein und treibt minutenlang im eiskalten Wasser. Eine seiner kleinen Freundinnen rennt sofort nach Hause und holt ihren Vater, der David aus dem Wasser fischt. Zusammen mit anderen Eltern und Passanten beginnen sie sofort mit Wiederbelebungsmassnahmen. Dann wird David mit dem REGA-Helikopter ins Kinderspital Zürich geflogen und notärztlich versorgt. Im Kispi gelandet, wird er nahtlos weiter reanimiert und direkt in den Schockraum gebracht. Sein lebensbedrohlich unterkühlter Körper braucht sofortige Hilfe. Jede Sekunde zählt.

Als seine Mutter im Zug den Anruf der Polizei erhält, erstarrt sie vor Schreck: «Ich traute meinen Ohren nicht und dachte erst, das sei ein Fake», erinnert sie sich bewegt. Erst als sie im Hort nachfragt und erfährt, dass David tatsächlich vermisst wird, begreift sie den Ernst der Lage. Vor wenigen Stunden hatte sie ihr Kind wie immer in den Kindergarten gebracht. Alles war gut, ein ganz normaler Tag. Doch mit einem Schlag war alles anders.

Zwischen Leben und Tod

Die Polizei holt Davids Mama direkt am Bahnhof ab und bringt sie ins Kinderspital Zürich. Dort wird ihr Sohn im Schockraum weiter reanimiert und sein Körper kontrolliert erwärmt. Ein interdisziplinäres Team aus Notfallmedizin, Intensivmedizin, Anästhesie und Kinderherzchirurgie arbeitet hochkonzentriert zusammen – wie ein eingespieltes Orchester. Viele Hände sind am Werk, und jeder Handgriff sitzt. Doch trotz aller Massnahmen lässt sich Davids Kreislauf zunächst nicht stabilisieren. Da fällt das Team eine wichtige Entscheidung: Sie wollen weiter um Davids Leben kämpfen und ihn an eine Herz-Lungen-Maschine anschliessen. Die sogenannte ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung) kann Herz und Lunge vorübergehend ersetzen.

Dazu beginnen der Kinderherzchirurg Dr. med. Dominikus Schullerer und sein Team sofort mit der Notoperation direkt im Schockraum. Der Brustkorb wird eröffnet, und noch während die ECMO vorbereitet wird, nimmt Dr. Schullerer Davids kleines Herz in die Hand und massiert es rhythmisch weiter. Gleichzeitig verabreicht das Team Medikamente, setzt die Wiedererwärmung fort und verfolgt jede kleinste Veränderung auf den Monitoren. Dann geschieht, worauf alle hoffen, aber was niemand versprechen konnte: Davids Herz beginnt wieder aus eigener Kraft zu schlagen.

Doch die Lage bleibt extrem kritisch. Schritt für Schritt stabilisiert das Team Davids Kreislauf und Organfunktionen und schliesst die Wiedererwärmung ab. «Etwa eine Stunde lang versuchten wir, ihn zurückzuholen», erinnert sich Dr. Schullerer an diesen Wettlauf gegen die Zeit. Nach der Operation muss der Brustkorb noch offen gelassen werden und wird steril verbunden. So wird zusätzlicher Druck auf das noch geschwollene Herz- und Lungengewebe verhindert. Erst zwei Tage später ist David stabil genug, um den Brustkorb in einer zweiten Operation sicher zu verschliessen.

Ungewisse Prognose und unerschütterliche Hoffnung

Doch es bleiben viele offene Fragen: Welche Schäden hat Davids Gehirn durch die lange Zeit im Wasser genommen? Wird er je wieder sprechen, laufen, sich erinnern können? Seine Mama ist sich sicher, dass ihr Sohn stark ist und überleben wird. Doch das Computertomogramm zeigt primäre und sekundäre Schäden am Gehirn. Es ist nicht klar, womit David später zu kämpfen hätte, wenn er wieder aufwacht; das Sprachzentrum oder seine Motorik könnten beeinträchtigt sein bis hin zum Verlust des Gedächtnisses. Die neun Tage auf der Intensivstation, in denen David im Koma um sein Leben ringt, sind geprägt von Bangen, Hoffen und Beten – eine Achterbahn der Gefühle für die Eltern. «Mein Mann und ich haben uns abgewechselt, damit immer jemand bei ihm sein konnte», erzählt die Mutter. Auch Davids ältere Schwester Zoe ist oft an seiner Seite – es sind ja Weihnachtsferien. Die Familie wird in dieser schweren Zeit von Freunden getragen, die mitfühlen, mitbeten und sie unterstützen.

Auch das hochspezialisierte Behandlungsteam der Intensivstation weicht nicht von Davids Seite. Sein Fall dient zudem als wertvolle Lehrsituation für angehende Fachkräfte. «Manchmal waren viele Personen im Raum, aber wir waren froh zu sehen, wie professionell an diesem Universitätsspital die Profis von morgen ausgebildet werden», so die Eltern.

Wir sind unendlich dankbar, dass alle, die helfen konnten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und richtig gehandelt haben – angefangen beim Kind, das Hilfe holte, bis zu den grossartigen Profis im Kinderspital. Das war bestimmt alles von oben geführt.
Davids Mutter

Das Weihnachtswunder

Dann, in einer klirrend kalten Winternacht, kommt kurz vor drei Uhr der erste Lichtblick: Eine Pflegefachfrau ruft die Mutter an – David bewege sich. Leben kehrt in seinen kleinen Körper zurück. Drei Tage später öffnet er zum ersten Mal wieder die Augen, reagiert aber noch auf keine der an ihn gerichteten Fragen – ausser auf eine einzige seines Vaters: «Möchtest du Pizza?» Leise haucht er: «Pizza!» und schläft fünf Minuten später wieder ein. 

Ein kleines Wort, ein grosses Zeichen: David ist wieder da! Nach umfassenden Untersuchungen wird er am nächsten Tag von der Intensivstation in ein reguläres Zimmer verlegt. An Weihnachten spricht er bereits wieder, zeigt Neugier, lacht – und hat Hunger. Das Küchenteam des Kinderspitals zaubert für ihn ein besonderes Geschenk: seine heiss ersehnte «Pizza» – zwar aus Kartoffeln, aber täuschend echt. Seine Eltern und das Pflegeteam sind zu Tränen gerührt, als sie David zum ersten Mal genussvoll essen sehen. Ein Weihnachtsfest, wie es niemand erwartet hätte.

Mit kleinen Schritten zurück ins Leben

In den nächsten Tagen beginnt sich David langsam zu erholen. Zunächst bewegt er sich noch im Rollstuhl, doch dank Physiotherapie und anderen Unterstützungsangeboten gewinnt er immer mehr Kraft zurück. Auch die Spitalclowns Knopf und Flippa begleiten ihn einfühlsam, bringen ihn zum Lachen und schenken ihm und der ganzen Familie unbeschwerte Momente. David wird sich später nicht mehr an diese Zeit erinnern – und seine Eltern sind froh darüber. Aber er spürt, dass er gut aufgehoben ist. Ein Magnetresonanzbild zeigt noch mögliche Auffälligkeiten im Gehirn, aber David macht Fortschritte. Seine Eltern unterstützen ihn mit unerschütterlicher Hoffnung: «David ist ein Kämpfer – und gesegnet. Gott wacht über ihn.» 

Dass David heute wieder unbeschwert durchs Leben geht, wurde nur durch das nahtlose Zusammenspiel aller Beteiligten möglich: von der schnellen Reanimation am Weiher über die notärztliche Versorgung durch die REGA bis zur hochspezialisierten Behandlung bei uns im Kinderspital und in der Kinder-Reha.
Kinderherzchirurg Dr. med. Dominikus Schullerer

Ein besonderes Geburtstagsgeschenk

Am 29. Dezember darf David das Kinderspital verlassen und wird in die Kinder-Reha Schweiz nach Affoltern am Albis verlegt. «Die Ärzte sagten, wir sollen mit drei bis sechs Monaten Rehabilitationszeit rechnen», erzählt die Mutter. Doch David überrascht alle: Nach einer Woche läuft er bereits wieder ohne Gehhilfe. Und zwei Wochen später – genau an seinem sechsten Geburtstag – darf er gesund und munter nach Hause. Das Kontroll-MRI im Februar bestätigt: David hat keine bleibenden Schäden. «Dass der Junge heute wieder ganz unbeschwert durchs Leben geht, ist nur möglich, weil von der ersten Minute an alles nahtlos zusammenspielte – von der Reanimation am Weiher über die notärztliche Versorgung durch die REGA bis zur hochspezialisierten Behandlung bei uns im Kinderspital und in der Kinder-Reha», freut sich Dr. Schullerer und ergänzt: «Eine starke Unterkühlung – so gefährlich sie auch ist – kann das Gehirn bis zu einem gewissen Grad auch schützen. Davids gute Erholung zeigt, welch grosses Potenzial modernste Reanimations- und Intensivmedizin bei Unterkühlung nach einem Ertrinkungsunfall hat.»

Für die Familie steht fest: Davids Geschichte ist ein wahres Weihnachtswunder, gewoben aus medizinischer Expertise, liebevoller Pflege und tiefem Glauben. «Wir sind unendlich dankbar, dass alle, die helfen konnten, zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und richtig gehandelt haben – angefangen beim Kind, das Hilfe holte, bis zu den Profis im Kinderspital. Das war bestimmt alles von oben geführt», sagt die Mutter gerührt.

Dankbarkeit für ein starkes Team

Als David in den Frühlingsferien zur Kontrolle ins Kinderspital Zürich kommt, ist von seiner einstigen Schwäche nichts mehr zu sehen. Fröhlich und kraftvoll rennt er durch die Gänge, erkundet jedes Spielzimmer und braust lachend auf dem roten Spielzeugbus herum. Er hat keine Erinnerung an den Unfall oder die ersten Tage im Spital. Darum zeigt ihm seine Schwester im Wimmelbuch «Mein Kinderspital Zürich», wo er mit dem Helikopter gelandet war, was auf der Intensivstation passierte und wo ihn später die Clowns im Zimmer besuchten. Vielleicht hilft ihm das später, wenn einmal Fragen auftauchen. Aber heute ist David einfach ein fröhlicher Junge, der sein zweites Leben geniesst. Für seine Eltern und die behandelnden Kispi-Teams, die wissen, wie knapp David dem Tod entronnen ist, ist jeder seiner Schritte ein kleines Weihnachtswunder, das bleibt.

Der Patient David macht einen Handstand im Boulevard des Kinderspital Zürich