Kind mit Hämatom bei Kinderschutz
13.01.2022
Kinderschutz

Bilanz Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle 2021: Mehr Fälle von psychischer Misshandlung und Vernachlässigung

Die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich verzeichnete im zweiten Pandemiejahr 2021 erneut eine Zunahme der gemeldeten Verdachtsfälle von Kindsmisshandlungen: Die Zahl stieg von 592 auf 625.

Nicht in allen Fällen konnte die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle eine sichere Misshandlung feststellen. Sicher war das Team in 442 Fällen. In 140 Fällen konnte der Verdacht nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeräumt werden. In diesen Fällen werden die Kinder engmaschig kontrolliert oder mit den weiterbetreuenden Stellen (Kinderärztin/-arzt, Mütter- und Väterberatung etc.) vernetzt. Bei einigen der gemeldeten Kinder – im Jahre 2021 waren es 43 – stellte sich im weiteren Verlauf heraus, dass keine Misshandlung vorlag, sondern zum Beispiel ein Unfall zur Verletzung geführt hatte.

2021 mehr psychische, aber weniger körperliche Misshandlung

In der Erfassung von Kinderschutzfällen werden fünf Kategorien unterschieden: körperliche und psychische Misshandlung, sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und Münchhausen Stellvertreter-Syndrom. Dabei können in einem Fall mehrere Misshandlungsformen vorliegen. Zugeteilt wird das Kind derjenigen Kategorie, die am augenscheinlichsten ist. Zum Beispiel kommt ein Kind bei einem Bluterguss am Rücken in die Kategorie körperliche Misshandlung, obwohl es natürlich auch psychisch unter den Schlägen leidet.
Die Zahl der sexuellen Misshandlungen blieb im letzten Jahr gleich, die körperlichen Misshandlungen haben erstmals seit Jahren wieder etwas abgenommen.
Bei den Fällen von psychischer Misshandlung und Vernachlässigung verzeichnete die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Kinderspitals Zürich jedoch eine deutliche Zunahme.

Was ist psychische Misshandlung oder Vernachlässigung?

Bei einer psychischen Misshandlung – Englisch: emotional abuse – werden Kinder bewusst oder unbewusst misshandelt, indem jemand einem Kind beispielsweise sagt: «Du bist zu dumm für das, das lernst du nie!» Oder: «Du bist zu dick» etc. Bei der Vernachlässigung – Englisch: neglect – wird etwas weggelassen, das das Kind unbedingt für eine gesunde Entwicklung bräuchte. Zum Beispiel wird es nicht adäquat ernährt oder erhält nicht genug Zuwendung. Dies, weil die Eltern etwa die Bedürfnisse der Kinder nicht kennen, überfordert oder zu stark mit sich selbst beschäftigt sind.
Die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Kinderspitals Zürich ist spezialisiert auf körperlichen und sexuellen Missbrauch. Ihr werden betroffene Kinder von überall her zugewiesen, da sie über das interprofessionelle Fachpersonal verfügt, das es braucht, um solche Kinder gut betreuen zu können. Die gestiegene Zahl von psychischen Misshandlungen und Vernachlässigungen 2021 lässt vermuten, dass auch die Dunkelziffer in diesem Bereich sehr hoch ist. Insbesondere auch, da verschiedene Beratungsstellen eine deutliche Zunahme von Fällen verzeichnen. Zudem hat auch das Kinderspital im letzten Jahr vermehrt Jugendliche wegen Suizidversuchen und Angststörungen betreut. Diese Jugendlichen haben sehr oft einen Missbrauch erlebt.
Der Grund für die letztjährige Zunahme scheint auf der Hand zu liegen: Die Pandemie setzt Familien mit vorbestehenden psychischen Problemen oft zusätzlich unter Druck, aber auch andere Familien geraten in psychosoziale Schwierigkeiten.

Hintergrund: Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich

Die Kinderschutzgruppe befasst sich mit Säuglingen, Kindern und Jugendlichen, die Opfer einer Misshandlung wurden oder gefährdet sind, misshandelt zu werden. Ziel der Kinderschutzgruppe ist es, durch sorgfältig geplante Interventionen drohende Misshandlungen abzuwenden und betroffene Kinder und Jugendliche vor wiederholter Misshandlung zu schützen. Im Zentrum der Bemühungen steht das Wohl der Kinder und Jugendlichen: Sie werden medizinisch versorgt, ihr soziales Netzwerk gestärkt. Die interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit von Spezialisten und Spezialistinnen aus Medizin, Psychiatrie, Psychologie, Gynäkologie, Pflege und Sozialarbeit ermöglicht es, die verschiedenen Facetten einer Misshandlungssituation zu erfassen und bestmöglich zu reagieren. Bezugspersonen sowie nachbe-handelnde und nachkontrollierende Institutionen werden früh in die Arbeit und Entscheide der Kinderschutzgruppe miteinbezogen.
In unserer Opferberatungsstelle werden Opfer von Gewalttaten nach den Vorgaben des Opferhilfegesetzes in rechtlichen, psychosozialen und teils auch finanziellen Belangen beraten und unterstützt.
Nebst dem Opfer begleiten wir auch dessen Angehörige. Fachpersonen und Institutionen können sich ebenfalls beraten lassen.


Mehr Infos zur Kinderschutzgruppe oder zur Opferberatungsstelle

Die ganze Medienmitteilung inklusive Grafiken finden Sie hier.

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