Pflegefachfrau Alessia Van Bael mit Patient
01.10.2020
Pflege

Ein gesundes Kind ist nicht selbstverständlich

Alessia Van Bael hat vor einem Jahr das Studium zur diplomierten Pflegefachfrau abgeschlossen. Im Portrait erzählt sie, wie sie die hohen Ansprüche an sich selbst abzulegen lernte.

Im Kinderspital zu arbeiten, ist ein Kindheitstraum von mir. Ich weiss gar nicht mehr genau, warum. Ich glaube, es gab mal ein Buch, das hiess «Emma geht ins Spital» oder so ähnlich. Das hat mich wohl geprägt. Ich erinnere mich auch, dass meine Kindergärtnerin vorher Krankenschwester gewesen war und uns davon erzählt hat. Damals nannte man unseren Beruf noch so.

Die Lehre zur Fachfrau Gesundheit habe ich bei den Erwachsenen und in der Spitex gemacht. Danach bewarb ich mich am Kinderspital Zürich für die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau. Dieses Studium habe ich vor einem Jahr abgeschlossen. Eigentlich wollte ich immer auf den Notfall, aber im Abschlussjahr kam ich auf die Kardiologie, wo ich heute arbeite. Das Fachgebiet gefällt mir, das Herz hat mich schon immer fasziniert. Es ist intensiv, man braucht ein grosses Wissen. Wenn am Herz etwas nicht stimmt, dann beeinflusst das den ganzen Körper.

 

Weg von der Perfektion

Jede Station im Kinderspital hat spezifische Fachgebiete, entsprechend ist auch die Pflege fachspezifisch ausgebildet. Die Kardiologie ist eine intensive Station: Unsere Patientinnen und Patienten benötigen viele Installationen, Drainagen, Gerätschaften. Man muss die Kinder genau beobachten. Ihr Zustand kann sich sehr schnell verändern: Innerhalb von zwei Stunden können Notfallsituationen entstehen. Die Kinder bleiben bei uns in der Regel lange Zeit – und sie kommen immer wieder.

Am Anfang meinte ich, alles perfekt machen zu müssen. Während des Studiums kann man immer wieder Rücksprache halten, aber auf einmal war ich Diplomierte und quasi auf mich allein gestellt. Ich hatte hohe Ansprüche an mich selbst. Heute weiss ich, dass man auch nach Jahrzehnten im Beruf noch Neues lernt und dass nichts von heute auf morgen geht.

Noch vor der Lehre war ich mal Au-Pair bei einer Familie. Dort habe ich viel über Kinder gelernt, das mir bei der Arbeit im Kinderspital hilft. Zum Beispiel: Geduld. Einem Kind kann man nicht einfach sagen: Mach das. Es braucht Empathie und man muss fähig sein, etwas in seiner Sprache zu erklären. Ich lernte ausserdem, selbstständig zu sein und mich zu organisieren.

Pflegefachfrau Alessia Van Bael mit Patientin

Ein gesundes Kind ist nicht selbstverständlich

Ich bin schon eher ein emotionaler Mensch. Es gibt einiges, das ich mit nach Hause nehme und das ich nochmal besprechen muss. Aber das ist okay. Ich möchte gar nicht jemand werden, die sagt: Ist mir egal. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dankbar zu sein. Ein gesundes Kind, so dachte ich immer, sei selbstverständlich. Aber das ist es nicht.

Auch das Reisen hat mich dankbarer gemacht. In Indien durfte ich durch einen Bekannten ein Spital besuchen. Eine Pflege, wie wir sie kennen, existierte dort gar nicht richtig. Man vergisst manchmal, dass die Schweiz mit ihrem Gesundheitssystem global eine Ausnahme darstellt. Wenn man es nicht anders kennt, ist es auch schwer zu vergleichen. Aber es führt dazu, dass man sich hierzulande ab und zu auf sehr hohem Niveau beklagt. Das ärgert mich manchmal.

Aber mir ist auch bewusst: Menschen im Spital befinden sich in einer Ausnahmesituation und dann lassen sie ihren Frust manchmal an uns ab. Ich nehme das nicht persönlich. Und oft entschuldigen sie sich danach. Deshalb ist es auch wichtig, sich Zeit für die Patientinnen, Patienten und ihre Eltern nehmen zu können. Das kommt manchmal etwas zu kurz. Dabei merke ich, dass etwa ein scheinbar knappes Gespräch übers Wetter schon viel bewirken kann.