Hautersatz_tbru
03.11.2022
Forschung

Der lange Weg zur neuen Standardtherapie

Der Hautersatz aus dem Labor, der von einem Forschungsteam am Kinderspital Zürich entwickelt worden ist, muss vor der Zulassung genauso strenge Auflagen erfüllen wie ein neues Medikament. Die Phase-I-Studie hat bereits bewiesen, dass der Hautersatz sicher ist. Nun läuft die Phase-II-Studie, die zeigen soll, wie viel wirksamer der Hautersatz im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie ist.

Text: Sophie Böttcher, Fotos: Barbora Prekopová und Valérie Jaquet


Verbrennungen oder Verbrühungen sind relativ häufige Unfallverletzungen bei Kindern. Es kommt zu einer schweren Hautschädigung, bei der teilweise eine Selbstheilung nicht oder nur mit einer starken Narbenbildung möglich ist. Die bisher angewendete Standardtherapie solcher tiefen thermischen Verletzungen besteht darin, die abgestorbene Haut zu entfernen und die Wunden mit Spalthaut zu bedecken. Das bedeutet, dass demselben Kind dünne Hautschichten an unversehrten Körperstellen entnommen werden. Notwendig ist das, da der menschliche Körper nur sogenannte autologe, also körpereigene Hautspenden annimmt, fremde Haut würde er abstossen.

Vor allem bei grossflächig brandverletzten Patientinnen und Patienten liegt deshalb ein zentrales Problem der Verbrennungsmedizin darin, dass zu wenige unverletzte Körperstellen vorhanden sind, an denen das Behandlungsteam Spalthaut entnehmen könnte. Ausserdem muss die entnommene Spalthaut ganz dünn sein, damit die Entnahmestelle wieder verheilen kann und dort keine zusätzlichen Narben entstehen. Spalthaut besteht daher vor allem aus Oberhaut und nur Resten der Lederhaut (siehe Infobox im Experteninterview mit Dr. med. Clemens Schiestl), weshalb sich nach der Transplantation oft verdickte Narben entwickeln. Diese sind nicht nur unschön, sondern wachsen auch nicht schnell genug mit dem Kind mit und können es in seiner motorischen Entwicklung stören sowie die Lebensqualität negativ beeinflussen.

Um diese elementaren Probleme zu lösen, hat ein Forschungsteam am Universitäts-Kinderspital Zürich denovoSkin™ entwickelt, ein im Labor hergestelltes Hauttransplantat aus patienteneigenen Hautzellen. Dies unter Anwendung von Erkenntnissen und Methoden der Naturwissenschaften, der Ingenieurwissenschaften und der Medizin (siehe Infobox «Die Entstehung von Hautersatz: denovoSkin™ und PV-Skin»).

 

Hauttransplantation, denovoSkin™, frisch auf dem Patienten aufgelegt.
denovoSkin™, verheilt, im Vergleich zu Spalthaut und natürlich verheilter («normaler») Haut

Phase-I-Studie erfolgreich

Mit dem innovativen Behandlungsansatz mit denovoSkin™ nimmt das Kinderspital Zürich im Bereich der Hautersatzforschung international eine führende Position ein. Bevor ein im Labor entstandenes Produkt jedoch standardmässig bei Patientinnen und Patienten zum Einsatz kommen darf, muss es verschiedene aufwändige klinische Studien durchlaufen, damit sich seine Sicherheit und Wirksamkeit bestätigen lässt.

Das Kinderspital Zürich führte von 2014 bis 2016 erfolgreich eine klinische Phase-I-Studie zur Prüfung der Sicherheit des Hautersatzes durch. Eingeschlossen wurden zehn Patientinnen und Patienten des Kinderspitals Zürich mit thermischen Verletzungen oder Hautdefekten. Die Studie musste strengste Auflagen des Schweizerischen Heilmittelinstituts (Swissmedic) sowie der Kantonalen Ethikkommission erfüllen. Diese beinhalteten unter anderem, dass das Behandlungsteam aus Sicherheitsgründen nur die minimal mögliche Grösse von Hautstücken verpflanzen durfte: ein Transplantat in der Grösse von 7 mal 7 Zentimetern. Der Hautersatz heilte bei den zehn Patientinnen und Patienten gut ein und zeigte eine zu normaler Haut ähnliche Hautqualität.

Phase-II-Studie läuft an verschiedenen Kliniken

Momentan koordiniert und führt das Kinderspital Zürich eine klinische Phase-II-Studie, um den Hautersatz auf seine Wirksamkeit zu prüfen – und zwar an einer grösseren Zahl von Patientinnen und Patienten. Neben dem Kinderspital Zürich selbst sind zwei Kliniken in den Niederlanden, zwei in Italien, eine in Belgien sowie das Universitätsspital Zürich beteiligt. An der Studie können erwachsene Patientinnen und Patienten oder Kinder teilnehmen, die thermische Verletzungen an über 25 Prozent ihrer Körperoberfläche erlitten haben. Sie erhalten bis zu zwei 7 mal 7 Zentimeter grosse Stücke des Hautersatzes. Als Vergleichsareal dient jeweils ein verletztes Hautareal, das mit der Standardmethode, also mit Spalthaut, behandelt wird. Die Resultate dieser noch nicht abgeschlossenen Langzeitstudie werden zeigen, ob der Hautersatz ästhetisch sowie funktionell mit natürlich gewachsener Haut vergleichbar ist, zum Beispiel, ob er elastisch genug ist, um mit den Kindern mitzuwachsen, und ihnen so weitere Korrekturoperationen ersparen kann.

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